Moderne Goldschmiedekunst

 Unsere Lehrer*innen haben uns immer gesagt: Bleibt ruhig – man kommt als Goldschmied nie an den Punkt, an dem man sich entspannt zurücklehnen kann, weil man „schon alles gesehen hat“ oder „alles weiss, was man wissen muss“.

Aber ist das nicht in jeder Branche so, wenn man wirklich tief eintaucht? In der Wissenschaft veralten ganze Bücher praktisch über Nacht, und ständig entstehen neue. (An der Uni wurde zum Beispiel unser Lehrbuch für Molekulare Zellbiologie in ein paar Jahren um mehrere hundert Seiten erweitert – und das Fach existierte noch nicht einmal, als unsere Dozent*innen Medizin studierten!)

Zum Glück entwickelt sich die Technik rasant weiter – und wer gute Arbeit leisten möchte, muss mithalten. Der Medical Futurist hat vor vielen Jahren treffend gesagt: „Künstliche Intelligenz wird Ärzt*innen nicht ersetzen – aber Ärzt*innen, die KI nutzen, werden diejenigen ersetzen, die es nicht tun.“

Bei den Goldschmied*innen ist die Lage natürlich nicht ganz so eindeutig. Es ist keineswegs so, dass man „automatisch abgehängt wird“, wenn man nicht mit der Zeit geht. Im Gegenteil! Es ist ein grosses Geschenk, wenn jemand bewusst die alten Methoden pflegt und ausschliesslich mit traditionellen Werkzeugen arbeitet.

Gleichzeitig: Wenn man Aspekte wie Effizienz oder Geschwindigkeit stärker gewichtet, kommt man um moderne Technologien nicht herum.

Ein Beispiel: Hier ein handbetriebener Bohrer (Dreul) – simpel, aber genial, und über Jahrhunderte bewährt.


Bild: Saarländisches Uhrenmuseum

Und trotzdem – die meisten haben heute wohl etwas in dieser Art über dem Werktisch hängen. Ich glaube, es ist selbsterklärend, wie viel schneller und einfacher man damit arbeiten kann:


Bild: auren.hu

Ketten kann man einzeln, Glied für Glied, von Hand zusammenfügen und verlöten:



Oder man nutzt eine Maschine:

Das Bild  haben wir im Technischen Museum der Schmuck- und Uhrenindustrie Pforzheim gemacht – ein absolutes Must-See, egal ob man aus der Branche kommt oder nicht. [Hier könnt ihr ein Video zu den Kettenmaschinen anschauen.]

Es macht natürlich auch einen Unterschied, ob ein Schmuckstück industriell in einer 100er-Auflage gegossen wird – oder ob es einzeln, von Hand gefertigt wird.

Und dann ist da noch das neue grosse Thema: 3D-Druck.
Wie in vielen anderen Bereichen (von Maschinenbau bis Implantate) erobert er auch in der Schmuckherstellung zunehmend seinen Platz.


Bild: ThisIsEngineering, Pexels.com

Das wirft auch philosophische Fragen auf, die in Fachforen häufig diskutiert werden:
Gilt ein Schmuckstück, das im 3D-Programm entworfen, anschließend gedruckt und vielleicht sogar in grosser Stückzahl gegossen wird, noch als handgemacht?

Was genau heisst eigentlich „handgefertigt“? Nur wenn wirklich jeder Arbeitsschritt mit der Hand gemacht wurde? Oder zählt auch ein Stück, das zwar gedruckt und gegossen wurde, aber anschliessend einzeln von Hand fertiggestellt wird?

Ich denke, es gibt darauf keine eindeutige Antwort. In den Extremen ist es vielleicht klar, aber alles dazwischen ist Interpretationssache.

Was mir persönlich wichtig ist: Ehrliche Kommunikation. Ich habe schon Geschäfte gesehen, in denen Schmuck explizit als „handgemacht, lokal gefertigt“ angepriesen wurde – obwohl kaum eine Hand (schon gar nicht die des angeblichen Künstler) das Stück je berührt hat.

Ich selbst mag die Mischung aus alt und neu: traditionelle Techniken mit modernen Methoden zu kombinieren. Auch im 3D-Druck sehe ich viele Möglichkeiten.
In einem der nächsten Beiträge zeige ich euch ein Projekt, das ich komplett mit 3D-Design umgesetzt habe – und erzähle ein bisschen mehr dazu.

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